Das italienische Rechtssystem bedient sich zur Bekämpfung der Kriminalität persönlicher Präventivmaßnahmen. Doch was geschieht, wenn eine Person, die einer solchen Maßnahme unterliegt, eine Straftat begeht und die Maßnahme später widerrufen wird? Das Urteil Nr. 20227/2025 des Obersten Kassationsgerichtshofs bietet eine entscheidende Auslegung zur Anwendung des besonderen erschwerenden Umstands gemäß Art. 71 des Gesetzesdekrets Nr. 159/2011, dem "Anti-Mafia-Kodex".
Artikel 71 des Gesetzesdekrets 159/2011 sieht eine Strafverschärfung für Personen vor, die eine Straftat begehen, während sie einer endgültigen Präventivmaßnahme unterliegen oder innerhalb von drei Jahren nach deren Beendigung. Ziel ist es, die kriminelle Tätigkeit von Personen abzuschrecken, die bereits als sozial gefährlich eingestuft wurden. Seine Anwendung hat jedoch Zweifel aufgeworfen, insbesondere wenn die Präventivmaßnahme widerrufen wird.
Der erschwerende Umstand gemäß Art. 71, Gesetzesdekret vom 6. September 2011, Nr. 159, der eine Strafverschärfung vorsieht, wenn die Tat von einer Person begangen wird, die einer endgültigen persönlichen Präventivmaßnahme unterliegt, während der vorgesehenen Anwendungsdauer und bis zu drei Jahre nach deren Beendigung, gilt auch dann, wenn diese Maßnahme aufgrund nachträglich eingetretener Umstände widerrufen wurde, die das Gefahrenurteil des Betroffenen verändert haben. (In der Begründung hat der Gerichtshof klargestellt, dass der erschwerende Umstand andernfalls nicht angewendet werden kann, wenn der Widerruf auf dem ursprünglichen Fehlen der Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme beruht).
Das Urteil Nr. 20227/2025 des Kassationsgerichtshofs mit dem Vorsitzenden Dr. M. G. R. A. und dem Berichterstatter Dr. M. T. stellt klar, dass der erschwerende Umstand des Art. 71 auch dann gilt, wenn die Präventivmaßnahme widerrufen wurde, jedoch nur, wenn dieser Widerruf auf nachträglich eingetretenen Umständen beruht, die das Gefahrenurteil verändert haben. Zum Zeitpunkt der Straftat war die Gefährlichkeit der Person tatsächlich gegeben und die Maßnahme rechtmäßig in Kraft. Der erschwerende Umstand findet hingegen keine Anwendung, wenn der Widerruf auf dem ursprünglichen Fehlen der Voraussetzungen beruhte. In diesem Fall hätte die Maßnahme von Anfang an nicht angewendet werden dürfen, und die Gefährlichkeitsvermutung entfällt.
Diese Unterscheidung, die vom Obersten Gerichtshof bei der Zurückweisung der Berufung des Angeklagten C. P.M. getroffen wurde, ist von grundlegender praktischer Bedeutung und gewährleistet Kohärenz und Vorhersehbarkeit. Der Kernpunkt für die Anwendung des erschwerenden Umstands ist die Existenz der sozialen Gefährlichkeit der Person zum Zeitpunkt der rechtswidrigen Tat, die durch die endgültige Präventivmaßnahme festgestellt wurde. Wenn diese Gefährlichkeit erst später aufgrund neuer Umstände entfällt, hebt dies die Gültigkeit des Gefahrenurteils nicht auf. Wenn der Beschluss hingegen durch ein ursprüngliches Fehlen von Voraussetzungen fehlerhaft war, wurde die Gefährlichkeit nie rechtmäßig festgestellt.
Das Urteil Nr. 20227/2025 ist ein bedeutender Baustein in der italienischen Strafrechtsprechung. Der Kassationsgerichtshof bietet eine klare Anleitung zur Auslegung und Anwendung von Art. 71 Gesetzesdekret 159/2011 und löst eine Mehrdeutigkeit auf. Diese Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit und bekräftigt die Bedeutung von Präventivmaßnahmen als Instrument der sozialen Verteidigung, indem sie präzise darlegt, wann deren Überwindung die höhere Schwere der von einer zuvor als gefährlich eingestuften Person begangenen Tat nicht ausschließt. Das Verständnis dieser Nuancen ist für Juristen unerlässlich.