Kassationsgerichtshof Strafrecht Nr. 16134/2025: Aufhebung wegen Verletzung des Rechts auf Verteidigung im Berufungsverfahren

Im italienischen Strafverfahren greift das Urteil Nr. 16134/2025 des Kassationsgerichtshofs zum Schutz eines der Eckpfeiler des fairen Verfahrens ein: der konkreten Möglichkeit für den Verteidiger, die Akten einzusehen und eine wirksame Verteidigungslinie vorzubereiten. Die Entscheidung, die das Urteil des Berufungsgerichts von Neapel ohne Zurückverweisung aufgehoben hat, bekräftigt, dass die bloße formelle Ernennung die Verteidigungsgarantien nicht erschöpft, wenn ihr nicht der tatsächliche Zugang zur Akte folgt.

Der Verfahrensfall

Der Fall entstand aus der Berufung von G. V., dessen Verteidigung nach Einreichung der Berufung einem neuen Anwalt anvertraut worden war. Letzterer hatte über zahlreiche PEC-Nachrichten die vollständige Zusendung der Gerichtsakte beim Kanzleramt beantragt. Die Unterlagen kamen jedoch nur teilweise und zudem kurz vor der schriftlichen Verhandlung an. Angesichts dieses Mangels hielt der Oberste Kassationsgerichtshof die Verletzung von Art. 178 Buchst. c) der Strafprozessordnung für gegeben, der jede Einschränkung des Widerspruchsrechts mit absoluter Nichtigkeit sanktioniert.

Die Leitsatzentscheidung und ihre Bedeutung

Im Berufungsverfahren hat der nach Einreichung der Berufung neu ernannte Verteidiger das Recht, die Verfahrensakten einzusehen. Die unterlassene Antwort des Kanzleramts auf seinen entsprechenden Antrag oder die verspätete und unvollständige Übermittlung dessen, was angefordert wurde, führt gemäß Art. 178 Buchst. c) der Strafprozessordnung zu einer Verletzung des Widerspruchsrechts und beeinträchtigt die Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung. (Sachverhalt, in dem der Gerichtshof das angefochtene Urteil ohne Zurückverweisung aufgehoben hat, mit der Begründung, dass aus den Akten hervorgeht, dass der neue Verteidiger versucht hatte, Kontakt mit dem Kanzleramt aufzunehmen, indem er zahlreiche formelle Mitteilungen per PEC versandte, um die Zusendung der Unterlagen zur Gerichtsakte zu erhalten, die ihm nur teilweise und kurz vor der schriftlichen Verhandlung übermittelt wurden).

Der Gerichtshof beruft sich nachdrücklich auf den Grundsatz, der bereits von den Vereinigten Kammern Nr. 42363/2006 aufgestellt und durch das jüngste Urteil Nr. 46027/2024 bestätigt wurde, wonach die fehlende Kenntnis der Akten es dem Verteidiger unmöglich macht, den Prozessinhalt wirksam zu beeinflussen. Es handelt sich nicht um einen bloßen Formalismus: Der Widerspruch gemäß Art. 111 der Verfassung und Art. 6 der EMRK lebt von der Informationsgleichheit zwischen Anklage und Verteidigung. Wenn das Kanzleramt nicht kooperiert, ist die Nichtigkeit unbehebbar und die Aufhebung ohne Zurückverweisung die notwendige Folge.

Praktische Aspekte: Was der Verteidiger tun muss

Angesichts der Entscheidung sind die Anwälte aufgefordert, die Anfragen an das Kanzleramt proaktiv zu verwalten und jeden Schritt zu dokumentieren. Es ist ratsam, eine Akte vorzubereiten, die bei der Anhörung vorgelegt werden kann, um die etwaige Nichterfüllung der Pflichten des Büros nachzuweisen.

  • Senden Sie die Anforderung von Kopien per PEC rechtzeitig und geben Sie die benötigten Akten präzise an;
  • Fordern Sie gegebenenfalls mit Aufforderungen zur Erfüllung gemäß Art. 110 der Strafprozessordnung nach;
  • Bewahren Sie die Sende- und Empfangsbestätigungen sowie etwaige protokollierte telefonische Aufforderungen auf;
  • Bitten Sie den Richter um eine Fristverlängerung, falls die Akte verspätet eintrifft.

Der Dialog mit der europäischen Rechtsprechung

Die Entscheidung steht im Einklang mit den Ausrichtungen des EGMR (Fälle Fittante gegen Italien und Mirilashvili gegen Russland), die einen rechtzeitigen und vollständigen Zugang zu den Akten fordern, um die Fairness des Verfahrens zu gewährleisten. Der Oberste Kassationsgerichtshof integriert somit den vertragsrechtlichen Parameter in sein System und ruft die Justizbehörden zu einer Überwachung der Tätigkeit der Kanzlerämter auf.

Schlussfolgerungen

Das Urteil 16134/2025 stellt klar, dass das Recht auf Verteidigung keine Kompromisse duldet: Ohne Kenntnis der Akten ist die Berufung unvollständig und die Entscheidung kann der Überprüfung auf Zulässigkeit nicht standhalten. Eine Mahnung sowohl an die Justizbehörden, die zu echter Effizienz aufgerufen sind, als auch an die Anwälte, die jede Phase des Verfahrens mit Strenge überwachen müssen.

Anwaltskanzlei Bianucci