Betrug und die Unterlassung als Vermögensverfügung: Analyse des Urteils Nr. 20249/2025 des Obersten Kassationsgerichtshofs

Das Strafrecht entwickelt sich ständig weiter, und die Entscheidungen des Obersten Kassationsgerichtshofs (Suprema Corte di Cassazione) weisen oft neue Auslegungsrichtungen auf, die die Anwendung von Normen tiefgreifend beeinflussen. Ein Paradebeispiel hierfür ist das kürzlich ergangene Urteil Nr. 20249 vom 06.05.2025, das am 30.05.2025 hinterlegt wurde. Es befasst sich mit einem besonders heiklen Aspekt des Betrugsdelikts (Art. 640 c.p.): der Möglichkeit, dass die Vermögensverfügung, ein wesentliches Element für die Konstituierung des Straftatbestands, in einer bloßen Unterlassung bestehen kann. Diese Entscheidung, die eine frühere Verurteilung des Berufungsgerichts von Turin teilweise ohne Zurückverweisung aufhebt, bietet grundlegende Reflexionsansätze für Anwälte, Richter und generell für jeden, der die Nuancen des Schutzes vor Vermögensdelikten verstehen möchte.

Der Kontext der Entscheidung: Der Fall des Herrn D. R.

Die Gerichtsverhandlung, die zur Entscheidung des Kassationsgerichtshofs führte, betraf Herrn A. D. R., der wegen Straftaten gegen das Vermögen angeklagt war. Das Berufungsgericht von Turin hatte am 01.10.2024 ein Urteil erlassen, das anschließend angefochten wurde. Im Kern der Angelegenheit stand die Auslegung des Elements der "Vermögensverfügung" im Kontext des Betrugs. Traditionell wird die Vermögensverfügung als eine positive Handlung verstanden (z. B. Geld übergeben, einen Vertrag unterzeichnen), doch der Kassationsgerichtshof wollte mit diesem Urteil klarstellen, dass auch eine unterlassene Handlung strafrechtliche Relevanz haben kann.

Die Unterlassung als Vermögensverfügung: Eine neue Grenze für den Betrug

Die vorliegende Entscheidung konzentriert sich auf die Natur der nach Art. 640 c.p. erforderlichen Vermögensverfügung. Der Oberste Kassationsgerichtshof, unter dem Vorsitz von Dr. A. P. und mit Dr. P. C. als Berichterstatter, hat einen bemerkenswerten Grundsatz aufgestellt, der einer eingehenden Analyse bedarf. Die Leitsatz lautet:

Im Hinblick auf den Betrug kann die für die Konstituierung des Delikts erforderliche Vermögensverfügung in einer bloßen Unterlassung bestehen, sofern diese eine eigenständige Vermögensschädigung verursacht. (Sachverhalt bezüglich der bloßen Verzichtserklärung, durch Täuschung des Angeklagten veranlasst, die Rückerstattung zuvor an ihn übergebener Geldbeträge zu verlangen, ohne dass ein weiterer Vermögensschaden für das Opfer entstanden ist).

Dieser Grundsatz revolutioniert, oder besser gesagt, klärt eine Grauzone der juristischen Auslegung. Bis heute hatten zwar Lehre und Rechtsprechung die Möglichkeit eines Betrugs durch Unterlassung bereits untersucht, doch das Urteil Nr. 20249/2025 definiert dessen Konturen präziser. Es reicht nicht aus, dass eine einfache Untätigkeit vorliegt; vielmehr muss die Unterlassung selbst die Handlung sein, durch die das Opfer, durch die Täuschung des anderen in einen Irrtum versetzt, über sein Vermögen verfügt und einen Schaden erleidet. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Kausalität: Die Unterlassung muss die direkte und unmittelbare Ursache für den Vermögensschaden sein, und dieser Schaden muss eigenständig sein, d. h. nicht lediglich eine Folge einer bereits erfolgten Handlung. Das Beispiel, das der Leitsatz selbst liefert, ist aufschlussreich: Der Verzicht auf die Rückforderung bereits übergebener Geldbeträge stellt, wenn er durch Täuschung veranlasst wurde, eine unterlassene Vermögensverfügung dar. Das getäuschte Opfer unterlässt es, Maßnahmen zur Rückerlangung seines Geldes zu ergreifen, und diese Unterlassung ist es, die ihm den Schaden zufügt.

Bedingungen für die Relevanz der Unterlassung

  • Die Unterlassung muss die direkte Folge der Irreführung durch den Täter sein.
  • Sie muss eine Handlung sein, die geeignet ist, einen Vermögensschaden zu verursachen.
  • Der aus der Unterlassung resultierende Vermögensschaden muss eigenständig sein und darf keine bloße Folge einer früheren Verfügungshandlung sein.
  • Die Täuschung muss das Opfer daran gehindert haben, eine Handlung vorzunehmen, die den Vermögensschaden vermieden hätte.

Rechtliche und praktische Auswirkungen

Diese Auslegung erweitert den Anwendungsbereich des Art. 640 c.p. und bietet Opfern betrügerischer Handlungen, die sich nicht nur durch positive Handlungen, sondern auch durch induzierte Unterlassungen oder Untätigkeiten manifestieren, einen stärkeren Schutz. Für Juristen unterstreicht das Urteil die Bedeutung einer sorgfältigen Analyse des Kausalzusammenhangs zwischen der Täuschung, dem Irrtum des Opfers und der (auch unterlassenen) Vermögensverfügung sowie des daraus resultierenden Schadens. Dies eröffnet neue Verteidigungs- und Anklagestrategien und erfordert eine größere Aufmerksamkeit für die Rekonstruktion des Willens des Opfers und seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung.

Die frühere Rechtsprechung, wie sie auch im Urteil selbst (Rv. 242649-01, Rv. 283514-01, Rv. 287072-01 usw.) zitiert wird, hatte bereits begonnen, diese Möglichkeit zu skizzieren, doch die Entscheidung von 2025 kristallisiert die Voraussetzungen und liefert eine klarere Anleitung. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Gesetzgebung an die modernen kriminellen Muster anzupassen, die immer ausgefeilter werden und oft darauf abzielen, die Entscheidungen der Opfer durch Täuschung und Fehlinformation zu manipulieren.

Schlussfolgerungen

Das Urteil Nr. 20249/2025 des Obersten Kassationsgerichtshofs stellt einen wichtigen Bezugspunkt für das Verständnis des Betrugsdelikts in Italien dar. Indem es anerkennt, dass auch eine unterlassene Handlung eine Vermögensverfügung darstellen kann, sofern sie einen eigenständigen Schaden verursacht, hat der Oberste Kassationsgerichtshof die Schutzinstrumente gegen Betrug gestärkt und die Fähigkeit des Rechts gezeigt, sich an die sich wandelnden Formen der Kriminalität anzupassen. Für jeden, der sich mit Betrugsfragen befasst, ist es unerlässlich, diese juristische Entwicklung zu berücksichtigen, die eine sorgfältige und nuancierte Analyse der Dynamiken erfordert, die zu Vermögensschäden führen.

Anwaltskanzlei Bianucci