Urteil Nr. 15506/2025 des Kassationsgerichtshofs: Vorsatz zwischen Kausalitätsvorstellung und tatsächlicher Detailgenauigkeit

Mit der Entscheidung Nr. 15506 vom 2. April 2025 (eingereicht am 18. April 2025) äußert sich die VI. Strafkammer des Kassationsgerichtshofs erneut zum psychologischen Element der Straftat und löst eine Berufung bezüglich Körperverletzungen, die öffentlichen Amtsträgern während einer Straßenverfolgungsjagd zugefügt wurden. Das Oberste Kollegium hebt teilweise mit Zurückverweisung die Anordnung des Gerichts für die Freiheit von Minderjährigen von Neapel auf und klärt, wann die Vorhersehbarkeit des Ereignisses als ausreichend für die Erfüllung des Vorsatzes angesehen werden kann.

Der Kern der Kontroverse: Was muss der Täter vorhersehen?

Dem Angeklagten, dem Minderjährigen L. P. M., wurde Körperverletzung gemäß Art. 582 des Strafgesetzbuches vorgeworfen. Die Verteidigung argumentierte, dass der junge Mann die Verletzungen, die den eingreifenden Beamten zur Unterstützung einer anderen Streife zugefügt wurden, weder vorhergesehen noch gewollt habe. Das Gericht hatte den Eventualvorsatz als erfüllt angesehen; der Kassationsgerichtshof formuliert stattdessen den Umfang des subjektiven Elements neu und knüpft an die gesetzlichen Bestimmungen (Art. 42-43 StGB) und die bisherige Rechtsprechung (u.a. Cass. 47152/2022 und 8004/2021) an.

Zur Feststellung des Vorsatzes muss sich der Täter die bedeutsamsten kausalen Schritte vorstellen, in denen sich die typische Tat entfaltet, wobei die Vorhersehung aller Detailaspekte der konkreten Tat nicht erforderlich ist.

Die an sich lapidare Maxime schafft eine Trennlinie: Sie überwindet die „allwissende“ Sicht des Vorsatzes und reduziert den Bereich der notwendigen Vorhersehung auf die wesentlichen kausalen Knotenpunkte. Praktisch gesehen, wenn das Subjekt versteht, dass sein Verhalten das typische Ereignis mit Wahrscheinlichkeit hervorrufen kann, ist der Vorsatz erfüllt, auch wenn es nicht die gesamte Sequenz von Mikroereignissen vorhergesehen hat.

Operative Auswirkungen für Verteidigungen und Staatsanwaltschaften

  • Verteidigungsstrategien: Die auf der fehlenden Vorhersehung spezifischer Folgen (z. B. Verletzungen einzelner Beamter) basierende Verteidigungslinie verliert an Stärke. Es muss nachgewiesen werden, dass der Angeklagte gerade den Hauptkausalzusammenhang nicht kannte.
  • Ermittlungstätigkeit: Die Staatsanwaltschaft muss sich auf Beweise konzentrieren, die das Bewusstsein der „bedeutsamen kausalen Schritte“ (hohe Geschwindigkeit, Vorhandensein von Hindernissen, Eingreifen Dritter) zeigen, ohne jedes Detail rekonstruieren zu müssen.
  • Rolle des Richters: In der Begründung muss erläutert werden, welche kausalen Schritte der Angeklagte sich vorgestellt hat und warum sie als „bedeutsam“ qualifiziert werden können.

Vergleich mit europäischem Recht und innerstaatlichen Präzedenzfällen

Die Position des Kassationsgerichtshofs steht im Einklang mit der Ausrichtung des EuGH zum Schuldprinzip (siehe Urteil OG und PI, C-15/16), das eine angemessene psychologische Beziehung zwischen Täter und Ereignis verlangt, aber keine erschöpfende Vorhersehung. Auch der EGMR wertet in der bekannten Entscheidung Kononov gegen Lettland das Element der vernünftigen, nicht absoluten Vorhersehbarkeit auf.

Auf innerstaatlicher Ebene steht das Urteil in Kontinuität mit Cass. 52869/2018, wo festgestellt wurde, dass „der Vorsatz nicht die Vorhersehung jeder Ausführungsmodalität erfordert“. Die neue Entscheidung wählt jedoch den Bereich der notwendigen Vorstellung: nur die kausalen „Knotenpunkte“, die die typische Tat formen.

Schlussfolgerungen

Der Kassationsgerichtshof bietet mit dem Urteil Nr. 15506/2025 ein praktikables Kriterium zur Beurteilung des Vorsatzes: Der Täter muss das Wesentliche, nicht das Nebensächliche vorhersehen. Dies führt zu einer Beweiserleichterung, aber gleichzeitig zu einer höheren Argumentationslast, um jene kausalen Schritte von „Gewicht“ zu identifizieren. Für Juristen stellt die Entscheidung ein wertvolles Instrument dar, um Anklagen, Verteidigungen und Begründungen abzustimmen und dabei das Schuldprinzip zu wahren, ohne in Formalismus zu verfallen.

Anwaltskanzlei Bianucci