Der Schutz von Opfern häuslicher Gewalt hat Priorität. Vorsorgemaßnahmen wie die Wegweisung aus der Familienwohnung und das Annäherungsverbot sind entscheidende Instrumente, ihre Anwendung kann jedoch Komplexitäten aufweisen, insbesondere wenn die geschädigte Person verstärkten Schutz mit geheimer Wohnsitzangabe benötigt. Der Oberste Kassationsgerichtshof bietet mit dem Urteil Nr. 17915 vom 14.02.2025 eine grundlegende Klarstellung.
Die Strafprozessordnung regelt in den Artikeln 282-bis und 282-ter die Wegweisung aus der Familienwohnung und das Annäherungsverbot zu Orten, die von der geschädigten Person häufig aufgesucht werden. Diese Maßnahmen, die oft in Fällen von Misshandlung (Art. 572 StGB) angewendet werden, verpflichten den Angeklagten, die Wohnung zu verlassen und einen Mindestabstand zur geschädigten Person einzuhalten. Die vom Obersten Gerichtshof behandelte Kernfrage betraf die Wirksamkeit des Verbots, wenn die geschädigte Person aus Sicherheitsgründen in einer Aufnahmeeinrichtung mit geheimer Ortsangabe untergebracht ist, wie vom Zivilrichter angeordnet. Das Gericht für Freiheitsfragen hatte Zweifel an der Unbestimmtheit eines solchen Verbots geäußert.
Der Kassationsgerichtshof wies den Einwand zurück und lieferte eine entscheidende Auslegung. Hier die Leitsatzentscheidung:
Im Hinblick auf die Wegweisung aus der Familienwohnung, ergänzt durch die zusätzliche Vorschrift des Annäherungsverbots zu bestimmten Orten, die von der geschädigten Person üblicherweise aufgesucht werden gemäß Art. 282-bis StPO, führt die Geheimhaltung der Aufnahmeeinrichtung, in der sie untergebracht ist, auf Anordnung des Zivilrichters zur Verstärkung ihres Schutzes, nicht zu einer Unbestimmtheit des Verbots, da die allgemeine Regelung des Art. 282-ter StPO Anwendung findet, wonach die Angabe der Verpflichtung, einen bestimmten Abstand zur geschädigten Person einzuhalten, ausreichend ist.
Diese Entscheidung ist von grundlegender Bedeutung. Der Gerichtshof stellt klar, dass die Geheimhaltung des Ortes das Verbot nicht "unbestimmt" macht. Der Kernpunkt ist nicht die Kenntnis der Adresse, sondern die Verpflichtung des Angeklagten (wie A. P.M. A. F.), einen vordefinierten Mindestabstand zur geschädigten Person einzuhalten, wie in Artikel 282-ter StPO vorgesehen. Auch ohne Kenntnis des genauen Standorts muss der Angeklagte es unterlassen, sich der geschädigten Person zu nähern und den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten. Das Urteil unterstreicht, dass der Schutz der geschädigten Person Vorrang haben muss und dass die Strafprozessordnung die Instrumente zur Gewährleistung dieses Schutzes bietet.
Die Entscheidung des Kassationsgerichtshofs stärkt die Synergie zwischen Zivil- und Strafjustiz mit erheblichen Auswirkungen:
Diese Ausrichtung ist entscheidend, um den Opfern von Gewalt maximalen Schutz zu gewährleisten, im Einklang mit europäischen Richtlinien.
Das Urteil Nr. 17915 von 2025 ist ein entscheidender Baustein im Schutz von Opfern häuslicher Gewalt. Durch die Bestätigung der Gültigkeit von Wegweisungs- und Annäherungsverboten auch bei geheimer Wohnsitzangabe bekräftigt der Oberste Gerichtshof die zentrale Bedeutung des Schutzes der geschädigten Person. Dies vereinfacht nicht nur die Anwendung der Vorschriften für die Rechtsanwender, sondern sendet auch eine klare Botschaft: Die Sicherheit und Integrität der Opfer haben absolute Priorität, und das Justizsystem ist in der Lage, diese rigoros zu gewährleisten und alle Auslegungshindernisse zu überwinden.