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Haftbefehl nach Brexit und Kontrolle der Grundrechte: Kommentar zur Kassation Nr. 8851/2025 | Anwaltskanzlei Bianucci

Haftbefehl nach dem Brexit und Kontrolle der Grundrechte: Kommentar zur Entscheidung des Kassationsgerichtshofs Nr. 8851/2025

Der Oberste Kassationsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung Nr. 8851 vom 28. Februar 2025 (eingereicht am 3. März 2025) eine Anordnung des Berufungsgerichts Rom, die die Auslieferung eines vom Vereinigten Königreich gesuchten Bürgers betraf, aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Die Entscheidung, die von der VI. Strafkammer erlassen wurde und sich auf den neuen Kooperationsmechanismus bezieht, der durch das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24. Dezember 2020 eingeführt wurde, ist von besonderem Interesse, da sie die aktive Rolle des italienischen Richters bei der Wahrung der Grundrechte auch außerhalb der Europäischen Union bekräftigt.

Der regulatorische Kontext nach dem Brexit

Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gilt der Europäische Haftbefehl (EH) nicht mehr direkt. An seine Stelle tritt Titel IX des Partnerschaftsabkommens, der eine Logik der schnellen Übergabe beibehält, jedoch ohne die traditionelle Kontrolle durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Weiterhin bindend sind:

  • das Gesetz Nr. 69 vom 22. April 2005 über die Anerkennung ausländischer Freiheitsentziehungsmaßnahmen;
  • die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK);
  • die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta von Nizza), auf die in Artikel 524 des Abkommens Bezug genommen wird.

In diesem Rahmen hat der Kassationsgerichtshof die Auslieferungsersuchen der britischen Behörden für D. P. M. erneut geprüft.

Im Hinblick auf einen vom Vereinigten Königreich auf der Grundlage des sogenannten Partnerschaftsabkommens vom 24. Dezember 2020 ausgestellten Haftbefehl entbindet die Notwendigkeit, die physische Anwesenheit des Beschuldigten im Strafverfahren gegen ihn sicherzustellen, die italienische Justizbehörde als Vollstreckungsstaat nicht von der Prüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Fehlens einer realen Gefahr der Verletzung eines der durch die EMRK und/oder die Charta von Nizza anerkannten Grundrechte. Wenn sie daher der Ansicht ist, dass eine Verletzung des genannten Prinzips oder eine Verletzung eines dieser Rechte vorliegt, ist sie verpflichtet, die Auslieferung nicht zuzulassen.

Kommentar: Die Leitsatzentscheidung klärt, dass die Auslieferung auch außerhalb des EH nicht automatisch erfolgt. Der italienische Richter muss prüfen, ob die Maßnahme im Verhältnis zur Schwere der Straftat verhältnismäßig ist und ob konkret die Gefahr von Rechtsverletzungen besteht, wie z. B. das Verbot unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) oder die Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK). Fehlen solche Garantien, ist der Antrag abzulehnen.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip und unverletzliche Rechte

Der Kassationsgerichtshof bezieht sich auf eine Rechtsprechungslinie (Urteile Nr. 34466/2021, 31862/2021, 47704/2022), die den Umfang der ex ante-Kontrolle der Einhaltung der Grundrechte schrittweise erweitert hat. Die bloße Behauptung, dass der Prozess stattfinden muss, reicht nicht aus: Es muss geprüft werden, ob die Inhaftierung im Ausland unvermeidlich ist und ob es weniger belastende Maßnahmen gibt (z. B. Videokonferenz oder Rechtshilfeersuchen).

Auf substanzieller Ebene schreibt Artikel 1 des Gesetzes 69/2005 vor, dass die Vollstreckung ausländischer Freiheitsentziehungsmaßnahmen die obersten Prinzipien der Rechtsordnung nicht verletzen darf; das Verfassungsgericht hat wiederholt betont (Urteil 143/2022), dass der Schutz unverletzlicher Rechte Vorrang vor jeder Kooperationsnotwendigkeit hat.

Implikationen für Verteidigung und Justiz

Die Entscheidung bietet relevante operative Anregungen:

  • Der Verteidiger kann spezifische Haftbedingungen im Vereinigten Königreich geltend machen, indem er sich auf Berichte des CPT oder frühere Entscheidungen des EGMR stützt;
  • Der Staatsanwalt muss die angebotenen Verfahrensgarantien bescheinigen, einschließlich der Überstellungszeiten und des Haftregimes;
  • Der Richter muss positiv begründen, dass keine Risiken bestehen, andernfalls ist die Auslieferungsanordnung nichtig.

Darüber hinaus bekräftigt das Urteil die Möglichkeit, die Auslieferung von schriftlichen diplomatischen Garantien abhängig zu machen, beispielsweise hinsichtlich des Zugangs der Verteidigung zu den Akten oder der maximalen Dauer der Untersuchungshaft im Vereinigten Königreich.

Schlussfolgerungen

Der Beschluss des Kassationsgerichtshofs Nr. 8851/2025 stellt einen entscheidenden Schritt in Richtung eines Strafkooperationsmodells dar, das auch im Zeitalter nach dem Brexit auf die Rechte des Einzelnen achtet. Die Botschaft ist klar: Die europäische Integration der Grundrechte macht nicht an den Zollgrenzen halt. Die Rechtsanwender, die aufgerufen sind, repressive Effizienz und den Schutz der menschlichen Würde abzuwägen, verfügen nun über ein weiteres juristisches Instrument, um dieses sensible Gleichgewicht zu wahren.

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